Ihr kennt das doch sicher auch: Ihr wollt eigentlich nur rasch Brot und Gemüse kaufen, doch am Ende habt ihr wieder einen Einkaufswagen voller Waren, von denen ihr beim Betreten des Supermarktes noch gar nicht wusstet, dass ihr sie braucht.
Was passiert da mit euch? Heute erfahrt ihr es!
Die Supermärkte beschäftigen heutzutage Heerscharen von Marketingexperten, Verhaltenspsychologen und Neuroforschern, die den Einkaufswagen auf Verkauf getrimmt haben.
Der Einkaufswagen ist gegenüber früher größer geworden und neuerdings hat der Gitterboden eine Schräge eingebaut, so dass Artikel (zum Beispiel Flaschen), die in ihm landen, nach hinten und wenn möglich aus dem Sichtfeld der Kunden rollen. So habt ihr das Gefühl, eigentlich gar nicht so viel gekauft zu haben, bis dann an der Kasse das böse Erwachen kommt.
Es gibt inzwischen sogar schon Einkaufswagen mit manipulierten Rädern! Tatsächlich ist es bei diesem Einkaufswagen-Typ so, dass er sich leichter schieben lässt, je schwerer der Inhalt ist. So merkt der Kunde nicht, wie viel er bereits eingekauft hat.
Die meisten Einkaufswagen verfügen über einen Kindersitz. Denkt ihr, diesen Sitz bieten die Supermärkte an, um besonders familienfreundlich zu wirken? Nein! Hier geht es darum, dass der Kunde möglichst lange im Laden bleiben und viele Spontankäufe tätigen soll. Und der Kunde hat nur Blick für Spontankäufe, wenn er nicht ein quengelndes Kind durch den Laden schleppen muss. Im Kindersitz sind die Kleinen also gut parkiert. Den gleichen Effekt erzielen die Mini-Einkaufswagen, die von Kindern selber durch den Markt gestoßen (und gleich mit den Lieblingsprodukten befüllt) werden können.
Und die Entwicklung des Einkaufswagens geht noch weiter. In Zukunft, so denke ich, werden die Wagen mit unseren Smartphones vernetzt sein, können auf unser individuelles Einkaufsprofil zugreifen, uns zu unseren Lieblingsprodukten führen und auf (individuelle!) Sonderangebote hinweisen.
Und das ist noch lange nicht alles! Die Einrichtung, die Raumtemperatur, die Hintergrundmusik, auch das spielt alles eine Rolle, wenn es darum geht, euch zum Kaufen zu verführen. Die Supermärkte unternehmen alles, damit ihr kauft, kauft und nochmals kauft.
Etwa 3’500 Euro lässt jeder Deutsche im Schnitt jedes Jahr im Supermarkt. Meist kaufen wir mehr ein als geplant und wundern uns im Nachhinein über den hohen Endbetrag. Der Hauptgrund dafür: Raffinierte Verkaufsstrategien der Handelsunternehmen.
Zwei Drittel unserer Kaufentscheidungen fällen wir nicht beim Schreiben des Einkaufszettels, sondern spontan im Markt. Kein Zufall, sondern Kalkül der Marktstrategen. Der Kunde soll viel und teuer einkaufen.
Das Ziel jedes Supermarktes ist es natürlich, möglichst viel zu verkaufen und hohe Umsätze zu machen. Dafür gibt es unterschiedliche Strategien und alles ist genau durchdacht:
Die Bremszone
Schon beim Betreten des Marktes werden wir oft mit Drehtüren und Schranken ausgebremst. Ohne dass wir es merken, verlangsamen wir unser Schritttempo. Zeit ist Geld. Geld für den Supermarkt. Denn je länger wir im Markt verweilen, desto mehr Produkte nehmen wir wahr und desto mehr kaufen wir. Deswegen lockt gleich hinter dem Eingang die Obst- und Gemüseabteilung.
Obst und Gemüse bremst durch dieses schöne Flair, den Eindruck von Frische und Natur. Und oftmals ist dieser Bereich noch ausgestattet mit einer Duftsäule, die Fruchtaroma und Nebelfrische verströmt. Die Hektik wird aus den Schritten genommen. Man wird ganz ruhig, hat vielleicht sogar ein Wohlfühl-Gefühl und dann sitzt auch das Portemonnaie ein bisschen lockerer.
Ich persönlich finde es hingegen nicht so toll, dass das Obst gleich zu Beginn kommt. Habt ihr schon einmal gleich beim Eingang des Marktes Erdbeeren in den Einkaufskorb gelegt und dann ein paar Regale weiter vorne noch zwei Milchpackungen und ein paar Dosen? Eben!
Damit die Kunden ruhiger werden, dringt die Musik oft mit ungefähr 72 Schlägen pro Minuten aus den Lautsprechern; dies entspricht der menschlichen Ruhepulsfrequenz. Dem amerikanischen Beratungsunternehmen Milliman gelang es in einer Studie, durch Hintergrundmusik mit unterschiedlicher Geschwindigkeit die Gehgeschwindigkeit und somit die Verweildauer der Kunden zu beeinflussen. Bei ruhiger Musik blieben die Kunden deutlich länger im Supermarkt und gaben deutlich mehr Geld aus.
Apropos Musik: Bereits im Jahre 1961 schrieb DER SPIEGEL im Artikel „Musik-Berieselung – Leis erklingt Muzak“ über ein amerikanisches Unternehmen, welches für viele deutsche Supermärkte und andere Läden die Hintergrundmusik gestaltet. Einen aktuelleren Artikel über das Unternehmen Muzak gibt es drüben bei Zeit Online unter dem Titel „Die Diktatur der sanften Klänge“.
Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, dass viele Supermärkte über spiegelnde Böden verfügen? Diese Böden suggerieren uns, es könnte rutschig sein. Automatisch gehen wir langsamer. Auch Pappgestelle in den Gängen, Wühltische und Deckenhänger bremsen uns aus. Diese Dinge wecken unser Interesse und sorgen gleichzeitig für Unübersichtlichkeit. Das Ziel ist – wie oben schon erwähnt – dass der Kunde möglichst lange im Laden bleibt und möglichst viele Spontankäufe tätigt.
Lange Laufwege
Die Supermärkte unternehmen alles, damit der Kunde möglichst lange Wege im Supermarkt zurücklegt. Dies ist der Hauptgrund dafür, dass die Frischetheke mit Fleisch, Fisch und Käse sich meistens ganz hinten im Markt befindet. So sieht der Kunde auf dem Weg dorthin hoffentlich noch viele tolle Dinge, die er ursprünglich gar nicht kaufen wollte; es kommt zu Impulsivkäufen.
Grundsätzlich stehen die Grundnahrungsmittel im Markt immer weit auseinander. Damit wird verhindert, dass der Kunde die auf dem Einkaufszettel notierten Artikel alle an einem Ort findet und dann direkt zur Kasse geht. Auch wer nur das Nötigste einkaufen möchte, muss nun durch den ganzen Markt laufen, an vielen verlockenden Angeboten vorbei.
Die Raumtemperatur
In vielen Supermärkten ist es exakt 19° Grad warm. Für das Obst und Gemüse ist dies zwar nicht unbedingt die Idealtemperatur, aber Studien haben gezeigt, dass wir bei dieser Temperatur am meisten einkaufen. Dass man dann hin und wieder nicht verkauftes Obst wegschmeißen muss, weil es die Temperatur nicht verträgt, wird einkalkuliert.
Die gezielte Produktplatzierung
Die Supermarkt-Betreiber und Hersteller wissen genau, wo die Kunden oft hinschauen und wo sie somit die teuersten Produkte am geschicktesten platzieren sollen.
Mittels Eyetracking-Studien untersuchen die Supermarkt-Ketten das Verhalten der Kunden und richten ihr Angebot danach aus. So befinden sich zum Beispiel die teureren Produkte meist auf Augenhöhe, während die günstigeren Artikel weiter unten in der „Bückzone“ angesiedelt sind.
Doch nicht nur in den Supermärkten wird versucht, euch zu beeinflussen.
Die Verkäufer (zum Beispiel im Elektro-Fachhandel oder im Autohaus) unternehmen viel, damit ihr als Kunden ein Produkt als wertvoll einschätzt und bereit seid, eine Menge dafür zu bezahlen. Gleichzeitig wollen sie, dass ihr den Preis als günstig empfindet. Dies passiert meistens über einen Vergleich. Das kann über Rabatte und Sonderaktionen geschehen (wo die Kunden selbst dann das vergünstigte Angebot kaufen, wenn der ursprüngliche Preis viel zu hoch angesetzt war) oder durch ein deutlich teureres Produkt in der Nähe. Sobald ihr dann das Gefühl habt, das günstigere Produkt sei ein Schnäppchen und ihr müsst nun sofort zuschlagen, seid ihr in die Falle getappt.
Studien haben ergeben, dass Schnäppchenwerbung in unserem Gehirn ähnlich wirkt wie Kokain. Immer wenn wir ein vermeintliches Sonderangebot wahrnehmen, setzt die Aktivität des mittleren Stirnhirns aus; mit diesem hinterfragen wir Dinge. Wir sollten jetzt eigentlich kritisch über Preise nachdenken. Stattdessen werden jetzt Botenstoffe ausgeschüttet, die in uns ein Wohlgefühl erzeugen; wir greifen zu, ohne nachzudenken.
Die Verlockungszone
Sind wir schließlich an der Kasse angelangt, wartet dort die Verlockungszone auf uns. Dort sind einzelne Produkte zu hohen Preisen platziert. Deshalb sind die Kassenplätze bei Lieferanten am beliebtesten. So mancher Schokoriegel, den wir dort kaufen, kann doppelt so teuer sein wie weiter hinten im Supermarkt.
Hier macht ein Supermarkt laut einer Studie des Euro-Handelsinstituts bis zu fünf Prozent seines Umsatzes, obwohl dieser Bereich nur 1.5 Prozent der Ladenfläche einnimmt.
Kürzere Kassenbänder
Ich fragte mich immer: „Bilde ich es mir nur ein oder werden die Kassenbänder immer kürzer?“ Inzwischen weiß ich: Es ist tatsächlich so! Früher waren die Kassenbänder länger. Damit soll der Kassiervorgang beschleunigt werden. Und selbst wenn mal jemand länger braucht, haben die Kunden das Gefühl, dass es schneller geht, da sie immer etwas zu tun (Artikel aufs Band legen) haben und nie lange untätig herumstehen müssen.
Und zum Schluss noch dies…
Kürzlich bei meinem Wocheneinkauf stand ich vor einem Aldi und fragte mich, weshalb gleich daneben ein Edeka-Markt steht. Lohnt es sich für Edeka, gleich neben einem Discounter einen Markt zu eröffnen?
Inzwischen habe ich mich erkundigt und weiß: Viele Kunden kaufen die Grundnahrungsmittel und die preiswerten Artikel im Discounter, für Frischwaren und höherwertige Artikel gehen sie dann in den Supermarkt nebenan. Und genau mit diesen margenträchtigen Produkten verdienen die Supermärkte auch ihr Geld; nicht mit dem Mehl für ein paar Cent.
Der Discounter macht also seinen Umsatz mit dem Grundbedarf und über die Menge, der Supermarkt mit den höherwertigen Produkten.
Kein Wunder, suchen viele Supermärkte in den deutschen Städten die Nähe zu den Discountern.